Perspektiva: „Inklusiver Arbeitsmarkt ist die Antwort für Fachkräftemangel“

Bei der Gesellschafterversammlung von Perspektiva am Theresienhof – Fotos: Marius Auth

 

Bei der Perspektiva-Gesellschafterversammlung am Donnerstag wurde der aktuelle Stand nach der Neuausrichtung verdeutlicht, außerdem ein hehres Ziel gesteckt: Bis zum Jubiläumsjahr 2024 sollen 20 weitere Gesellschafter geworben werden.

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Aktuell begleitet Perspektiva 41 junge Menschen in der Berufsorientierung, Vorbereitung und Ausbildung. 88 Schüler besuchen die Startbahn. Die Berufswege von vier Jugendlichen, die während der Versammlung vorgestellt wurden, machten deutlich, wie konkret und wirkungsvoll das Unternehmernetzwerk hilft, das im nächsten Jahr sein 25. Jubiläum feiert. Mittlerweile engagieren sich hier mehr als 150 Unternehmer, davon 105 als Gesellschafter. Bis zum Jubiläumsfest soll ihre Zahl auf 125 steigen. Als neue Gesellschafter wurden während des Treffens Lukas Fladung (Fladung GmbH) aus Dorfborn und Christoph Jestädt (Hannheinehof Lebensmittel GmbH) in Fulda herzlich begrüßt.

Jan Martin Schwarz, neben Silke Gabrowitsch Geschäftsführer bei Perspektiva, sagte zur Begrüßung, nach einer harten Zeit der Krise, die auch von einem Personalabbau begleitet war, greife die Neuausrichtung. Im vergangenen Jahr habe die Gesellschaft wieder schwarze Zahlen geschrieben. Man befinde sich auf dem Weg zurück zu den Wurzeln, bei dem der Jugendliche mit seinem Berufsziel im Mittelpunkt stehe – das gelte für den Arbeitsplatz ebenso wie für die passgenaue Ausbildung. Beides seien Garanten für ein selbstbestimmtes Leben, betonte Schwarz. Im vergangenen Jahr habe Perspektiva 24 jungen Menschen diesen Start ermöglicht – je zur Hälfte fanden sie eine Arbeits- oder eine Ausbildungsstelle. Silke Gabrowitsch stellte das gemeinsame Berufswegekonzept von Startbahn und Perspektiva in den Mittelpunkt. Das Konzept sei „etabliert und es greift“.

Individuell in den Beruf begleiten

Jeden Jugendlichen, der den Willen dazu mitbringe, könne man individuell und am Berufsziel orientiert auf dem Weg in den Beruf begleiten, sagte Gabrowitsch. Die Arbeit von Perspektiva komme auch den Firmen zugute, denn „ein inklusiver Arbeitsmarkt ist eine Antwort auf den Fachkräftemangel. Hier hat Perspektiva echte Fachkompetenz“, verdeutlichte Gabrowitsch. Die Gesellschaft unterstützt Abgänger von Förderschulen, Jugendliche ohne Hauptschulabschluss oder mit einer sozialen/emotionalen Problemlage.

Celina aus Fulda ist eine der Jugendlichen, die eine gute Entwicklung aufweist. Nach ihrer Zeit als Schülerin an der Startbahn absolvierte sie mehrere Praktika, von denen sie eines in die Senioreneinrichtung Immanuel Haus Bethanien in Hünfeld führte. Dort fühlte sie sich schnell wohl und willkommen, wie sie selbstbewusst vor den Perspektiva-Gesellschaftern erklärte. Ihre gute Entwicklung bestätigte Michael Lotz vom Haus Bethanien. Deshalb beginnt sie im August eine Fachpraktiker-Ausbildung „Hauswirtschaft“ über das Budget für Ausbildung.

Oder Christian aus Kalbach. Nach dem Abschluss an der Neuhofer Albert-Schweizer-Schule machte er Praktika in einem Seniorenpflegeheim, beim Forst oder im Garten- und Landschaftsbau, bevor er richtig Spaß an einer Tätigkeit bei Getränke Heurich in Fulda fand. Sein Chef dort bot ihm eine Betriebliche Qualifizierung über Perspektiva an mit der Aussicht auf einen festen Arbeitsvertrag. Und den hat er seit wenigen Wochen in der Tasche. Sein Chef hofft, dass Christian noch recht lange bei Heurich arbeitet.

Während Praktikum Eindruck hinterlassen

Auch Hannah aus Fulda hat während eines ihrer Praktika Eindruck hinterlassen: Sie beginnt im August eine Ausbildung im Bereich Büromanagement bei der Firma Wemag in Fulda. Ihr Chef Joachim Schaus lobte sie als eine engagierte Mitarbeiterin. Hannah habe sich gut ins Team und in die Firma eingefunden. Sie bekomme regelmäßig neue Aufgaben, die sie gut meistere. „Sie durchlief bei uns drei Abteilungen. Und alle drei haben gesagt, die Hannah nehmen wir sofort“, verdeutlichte Schaus. „Sehr zuverlässig, sehr genau“, so lobt Patricia Fehrmann von der Firma Rudolf Fehrmann im Industriegebiet West die Leistung von Justin aus Fulda. Nach seiner mittleren Reife brauchte er erst
einmal Zeit auf dem Theresienhof, um sich beruflich zu orientieren. Als er zu Fehrmann als Praktikant kam und sich dort mit den Gewürzen beschäftigte, „da hat’s Klick gemacht“, wie er freimütig schilderte. Bei Fehrmann wiegt er Gewürze genau ab und stellt Gewürzmischungen her. Jetzt im August erhält er einen Arbeitsvertrag. Damit ist für Justin aber noch nicht Schluss: Wenn er sich bewährt, möchte er nächstes Jahr bei Fehrmann eine Ausbildung als Fachlagerist beginnen, die ihm seine Chefin in Aussicht gestellt hat.

In seiner engagierten Rede zum Abschluss des offiziellen Teils betonte Jan Martin Schwarz, „wir brauchen jeden einzelnen Gesellschafter, um unsere Vision als Fördergemeinschaft für Arbeit und Leben, die Jugendlichen Starthilfe in ein selbstbestimmtes Leben gibt, weiter voranzutreiben. Vieles schaffen wir mittlerweile aus eigener Kraft, aber wir sind auch auf staatliche Unterstützung angewiesen, das bedeutet mehr Aufwand und mehr Verwaltung“, sagte Schwarz. Er dankte deshalb besonders Landrat Bernd Woide und der Arbeitsagentur, die manchen Stein beiseite rollten.

Starke Stimme in der Region verschaffen

Schwarz appellierte an die Unternehmer, dem Netzwerk eine starke Stimme in der Region zu verschaffen, „denn wir müssen zeigen, dass unser Weg der bessere ist“. Das besondere seien die persönlichen Beziehungen zwischen Jugendlichen und Unternehmer, die Perspektiva knüpfe. Während Maßnahmen irgendwann endeten, wirkten Beziehung und Verantwortung zueinander langfristig. Gerade in einer Zeit, in der die Zahl junger Menschen steige, die aufgrund ihrer sozialen Behinderung keinen festen Platz im Arbeitsleben finden, sei die Arbeit und Wirkung von Perspektiva unverzichtbar.

Viele hätten schon probiert, Perspektiva zu kopieren, aber es sei noch keinem gelungen. „Das zeigt, dass so etwas wohl nur hier bei uns in Fulda funktioniert“, betonte Schwarz, der alle Unternehmer dazu aufrief, sich als „Markenbotschafter“ für das Netzwerk zu verstehen. Nur ein starker Stand in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik ermögliche es dem Netzwerk, weiterhin erfolgreich zu sein.

Maria Erb, Geschäftsführerin der Firma Paul Himmelmann und Mitglied im Perspektiva-Beirat, sagte in ihren Dankesworten, sie sei „angenehm angetan“ davon, mit wie viel Herzblut sich die beiden Geschäftsführer für das Netzwerk einsetzten. „Sie ärgern sich selbst am meisten, wenn irgendetwas mal nicht klappt“, sagte Erb, die anfügte, sie sei mit der Arbeit „sehr, sehr zufrieden“. Nach dem offiziellen Teil begegneten sich die Gesellschafter bei einem kühlen Getränk und einem Imbiss zum Netzwerken.

Textquelle: OSTHESSEN|News
Fotos: Marius Auth